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Winterliche Medizinalweine

Heilweine dienten in der Vergangenheit zur Stärkung und Genesung. Spezielle Kräuter wurden hierfür in Rot- oder Weißwein ausgekocht oder über längere Zeit hinweg ausgezogen.





Kaum zu glauben: Unser aromatisch duftender Glühwein ist ein Relikt aus alter Zeit. Ein Überbleibsel unserer Ahnen, die heilkräftige Gewürze und Kräuter in Wein auskochten, um Gebrechen zu heilen und das Immunsystem zu stärken. Heutzutage kann es durchaus vorkommen, dass anstelle von wertvollem Zimt, aromatischen Nelken oder schwarzem Pfeffer industriell gefertigte Aromen dem aus Trauben gewonnenen Alkohol zugesetzt werden. Grund genug, um das ein oder andere Rezept selber auszuprobieren und in die Welt der Gewürze einzutauchen.


Die Geschichte des Weines und der Kombination mit Honig oder Gewürzen reicht weit zurück.

Archäologische Funde im iranischen Hajji Firuz Tepe lassen vermuten, dass bereits im 6. Jahrtausend vor Christus Wein hergestellt wurde. Ob dies für den Genuss oder für gesundheitliche Zwecke geschah, ist nicht nachzuvollziehen. Durch das Entziffern der Keilschrift wissen wir, dass rund 4000 Jahre später, also um etwa 2100 v. Christus, Wein in Kombination mit Honig als Heilmittel verwendet wurde. Im Sumerischen Arzneibuch von Mesopotamien wird diese Kombination zur Behandlung von Husten empfohlen.

Wiederum 500 Jahre später, finden sich aus dem um 1550 v. Chr. stammenden Papyrus Ebers einige Rezepturen, in denen Gewürze und weitere Zutaten in Wein zu Medizin ausgekocht werden. Für die Behandlung von Essstörungen und bei Appetitlosigkeit werden in Rezept Nummer 288 etwa Erdmandeln, Knochenmark, Weihrauch und Ocker in Wein gekocht und die Einnahme über ein bis vier Tage hinweg empfohlen.

Um 77 n. Chr. wird das Mischen von Honig und Wein abermals dokumentiert. Unter dem Begriff Mulsum gilt es als appetitanregendes, verdauungsförderndes und lebensverlängerndes Mittel, welches vor dem Essen oder zur Vorspeise gereicht wurde. Plinius der Ältere, ein römischer Gelehrter und Verfasser der Naturalis historia, gab dem Gemisch noch frischen zerstoßenen Pfeffer hinzu und pries es zudem zur Stärkung von Reisenden. Plinius erhielt auf seine Frage an den über 100-jährigen Romilius Pollio, warum er so alt sei die Antwort „Innen mit Mulsum, außen mit Öl.“

Aus Mulsum entwickelten sich verschiedene Gewürz- und Heilweine. So wird etwa 300 Jahre später im Kochbuch de re coquinaria das Rezept für conditum paradoxum, einem römischen Gewürzwein niedergeschrieben. Honig wird hierfür zunächst mehrfach mit Wein zum Sieden gebracht, am nächsten Tag abgeschöpft und mit Gewürzen wie geriebenem Pfeffer, Mastix (Harz des wilden Pistazienbaumes), Safran, Lavendel und gerösteten Dattelkernen verfeinert und mit Wein verdünnt.

Mit den Römern kamen auch die Weinreben ins mittlere Europa und somit auch der Wein zum Einsatz in der Volksheilkunde.

Hildegard von Bingen (1098 - 1179 n.Chr.) schrieb dem gegorenen Traubensaft an sich schon heilende Wirkung zu. „Der Wein heilt und erfreut den Menschen mit seiner gesunden Wärme und seiner großen Kraft, und verleiht dem Blut die Glut des Lustverlangens.“ Die Äbtissin sah im Wein den Motor der Gesunderhaltung und mischte dem Winzergut speziell wirkende Kräuter bei. Hildegard von Bingen hinterließ einige ihrer Heilweinrezepte in ihrem Werk Physica.


Die mittelalterliche Klosterheilkunde nutzte Medizinalweine vorrangig bei inneren Beschwerden, zur Stärkung und bei psychischen Missständen, wie etwa bei leichten Depressionen, Melancholie, Trauer, Schlaflosigkeit oder Schmerzen.


Aus dem 14.Jhdt n. Chr. stammt das Rezept für einen speziellen Gewürzwein, den Hypocras, der unserem heute bekannten Glühwein ähnelt. Nach Taillevent, dem Chefkoch des französischen Königs Karl des V., werden Wein und Honig mit Zimt, Gewürznelken und Orangenblüten aromatisiert. Weitere Zutaten sind Majoran, Muskatnuss und Pfeffer, Kardamom und Ingwer. Als Alternative zur Orangenblüten wurde Rosenwasser empfohlen.


Heil- und Gewürzweine sollten likörgläschenweise eingenommen werden. Wer die Einnahme von Alkohol nicht verträgt, kann auf eine Zubereitung mit Traubensaft zurückgreifen.




Über die Wirkungen der Zutaten:


Weintrauben sind reich an Mineralien, Ballaststoffen, B-Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen. Sie wirken sich positiv auf die Verdauung, den Stoffwechsel und die Blutbildung aus. Dunkle Trauben enthalten besonders viele sekundäre Pflanzenstoffe wie Phenolsäuren und Flavonoide, welche zellschützend und entzündungshemmend wirken.


Schwarzer Pfeffer galt im Mittelalter als König der Gewürze. Er ist reich an Piperin, dem Träger des scharfen Pfeffergeschmackes. Piperin wirkt direkt ab dem Moment des Verzehrs. Es stimuliert die Geschmacksknospen, die ein Signal an die Bauchspeicheldrüse senden, die sogleich mit einem Ausschütten von Verdauungsenzymen beginnt. Schwarzer Pfeffer wirkt gegen eine Vielzahl von Verdauungsstörungen wie Durchfall oder Verstopfung. Er reguliert die Umwandlungstätigkeit, verkürzt die Verwertung im Darm und bringt die Darmwände in Form. Pfeffer wirkt zudem noch antibakteriell und wirkt förderlich bei einer Vielzahl von weiteren Beschwerden, wie z.B. Gedächtnisverlust, Bluthochdruck oder Herzkrankheiten.Zimt hilft bei Atemwegsproblemen und Magenbeschwerden. Im Heilwein gekocht, verleiht er ein duftendes Aroma und wirkt wärmend und verdauungsfördernd. Desweiteren hat das Gewürz die Fähigkeit, mikrobielle Krankheitserreger wie Pilze oder Bakterien zu bekämpfen.


Nelken: Die geernteten ungeöffneten Blütenknospen des Nelkenbaumes enthalten Eugenol, Entzündungshemmer und Antioxidantien. Im Magen-Darm-Bereich wirken Nelken appetitanregend und fördern im Heilwein die Verdauung. Sie helfen gegen Krämpfe, Blähungen und Zahnschmerz.


Safran wirkt stimmungsaufhellend, bei Erschöpfung, Unruhe und Bluthochdruck. Hilft u.a. bei Erektionsstörungen, Schlaflosigkeit und altersbedingter Makula-Degeneration.


Sternanis wirkt schleimlösend, entzündungshemmend und verdauungsfördernd. Sternanis verfügt über antiviral und antibakteriell wirkende Heilstoffe. Die enthaltene Shikimisäure soll bei Grippe helfen.


Muskatnuss: Der hohe Myristicingehalt scheint dafür verantwortlich zu sein, dass Muskat bei Depression, Unruhe, Durchfall, Gedächtnisverlust und Falten helfen kann. Auch weisen Forschungen auf eine erfolgreiche Bekämpfung von menschlichen Leukämiezellen hin.


Lorbeer: In der Volksheilkunde wird Lorbeer bei Entzündungen, Verspannungen, Prellungen, Husten, Ohrenschmerz, Rheuma, Nervenschmerzen und Verdauungsproblemen verwendet. Im Essen geköchelt wirken Lorbeerblätter zellstärkend und positiv auf Cholesterin und Blutzucker. Desweiteren enthalten Lorbeerblätter eine Fülle an Antioxidantien.


Zubereitung

Heilweine können kalt oder heiß zubereitet werden. Beim kalten Ansatz gibt man Kräuter und nach Bedarf Honig oder Zucker in eine Flasche, begießt sie mit Wein und lässt das Gemisch für etwa eine Woche verschlossen und dunkel ausziehen.

Beim Sieden von Heiltrünken werden die Zutaten in einen Topf gegeben, etwa eine Stunde kurz unter dem Siedepunkt erhitzt und durch ein Tuch in sterile Flaschen abgefüllt.

Beide Zubereitungen sind etwa 4 Wochen im Kühlschrank haltbar. Wein, Gewürze und Kräuter sind je nach gewünschter Wirkung und Geschmack kombinierbar.



Conditum paradoxum - Römischer Gewürzwein

In Anlehnung an Apicius: de re coquinaria (3.-4. Jhdt n. Chr.)

anregend, verdauungsfördernd, entzündungshemmend, stimmungsaufhellend




Zutaten:

1 l Weißwein

200 g Honig

5 Datteln

6 Pfefferkörner

3 Lorbeerblätter

12 Safranfäden

1/3 TL Mastix (Harz des wilden Pistazienbaumes)


Zubereitung:

Datteln entkernen, Kerne anrösten.

Wein in einen Topf gießen, Honig hinzugeben und unter Rühren erhitzen, so dass sich der Honig auflöst. Pfeffer anmörsern und mit den Datteln, den gerösteten Kernen und den restlichen Zutaten in den Wein geben und für etwa 30 Minuten erhitzen. Gläser mit jeweils einem Lorbeerblatt und einer aufgespiesten Dattel anrichten.

Anwendung: Als Heilwein oder Gewürzwein vor den Malzeiten genießen.




Fichtentrunk - frei nach Hildegard von Bingen

schleimlösend, für freien Atem, immunstärkend




Zutaten:

1 Flasche Rotwein,

5 EL WaldHonig

1 Zweig Fichtengrün (oder 30 g Fichtennadeln getrocknet)

1 Zimtstange, grob zerstoßen

3 Sternanis

1/2 TL Safran

3 Tropfen ätherisches Fichtenöl

Zum Anrichten:

1 Orange

Fichtengrün


Zubereitung: (150 - 190.jpgs)

Wein und Honig in einen Topf geben, erhitzen und unter Rühren auflösen. Restliche Zutaten bis auf die Orange hinzugeben und alles für etwa 30 Minuten simmern lassen. Orange in Scheiben schneiden. Gläser je mit zwei Ästchen Fichtengrün und ein bis zwei Scheiben Orange bestücken und mit dem Wein auffüllen. Wein hierfür durch ein Sieb gießen. Der Fichtentrunk kann auch durch ein Tuch und einen Trichter in sterile Flaschen gefüllt und verschlossen werden. Die Haltbarkeit beträgt so etwa 2 Wochen.

Anwendung:

Als Glühwein oder Medizinalwein genießen.




Hypocras 

(frei nach Taillevent, 14.Jhdt. n.Chr.)

verdauungsfördernd, entzündungshemmend, antiviral, antibakteriell



Zutaten:

1l Rotwein

3 EL Honig

5 Nelken

2 Stange Zimt

1 TL Rosenblätter

1 TL schwarzer Pfeffer, grob angestoßen

2 Kapseln Kardamom

1 TL Majoran

3 Prisen Muskatnuss



Zubereitung:

Wein und Honig in einen Topf geben, erhitzen und den Honig unter Rühren auflösen. Gewürze hinzu geben und alles für etwa eine Stunde erhitzen. Der Wein sollte dabei nicht kochen sondern nur sieden. Heiltrunk durch einen mit einem Tuch ausgelegten Trichter in sterile Flaschen abfüllen. Kühl und dunkel lagern. Der Wein ist etwa 2 Wochen haltbar.





Anwendung:

Als Heiltrunk likörgläschenweise vor der Mahlzeit einzunehmen. Alternativ als Glühwein servieren.

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